Predigt beim Festgottesdienst der Wallfahrt der Roma nach Mariazell
Auszüge aus der Predigt
Ihre (die der Roma, Sinti u.a.) Gegenwart ist sehr vielfältig. Viele von Ihnen sind stolz, Roma zu sein,und leben mit Selbstbewusstsein die Kultur und Sprache.
Die Familie hat für Sie eine große Bedeutung und Feste sind generell wichtig.
Gerne erinnere ich mich an den Romaball in Innsbruck in den vergangenen Jahren.
Manches verändert sich: Die Romasiedlungen werden kleiner, die traditionellen Großfamilien gibt es nicht mehr so. Ihre soziale Situation ist sehr heterogen: Viele von Ihnen nehmen ohne Einschränkung am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teil, Ihr Lebensstil unterscheidet sich nicht oder kaum von dem der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung. Andere leben aus den verschiedensten Gründen schon lange in teilweise prekären Verhältnissen. Sie haben oft nur sehr schwache Verbindungen in die gesellschaftlichen und sozialen Strukturen hinein.
Vor allem beim Schulbesuch und später bei der Integration in den Arbeitsmarkt gibt es in diesen Fällen Probleme.
Vertreter der Sinti-und-Roma-Verbände sind besorgt darüber, dass die neue heftige Diskussion über sogenanntes „sozial nicht angepasstes Verhalten“ von neu zugewanderten Roma alte, rassistisch aufgeladene Wahrnehmungen und Vorurteile befördert und eine neue Welle des sogenannten „Antiziganismus“ auslöst, der die Lebenssituation der betroffenen Menschen noch verschärft.
Seit etlichen Jahren sorgen Probleme um die Migration von Roma-Gruppen, vor allem aus Südosteuropa, für mediale Aufmerksamkeit. Besonders groß ist die Aufmerksamkeit, wenn Roma sich in Elendsvierteln oder Zeltlagern am Rande der Städte Euopas niederlassen. Die Medienberichten über problematische oder für alle Beteiligten unzumutbare Zustände an Brennpunkten, greifen aber auch die Not der Betroffenen auf oder berichten über gelingende Projekte und gut in die Gesellschaft integrierte und erfolgreiche Zuwanderer aus Südosteuropa.
Alarmismus ist ebenso fehl am Platz wie Beschwichtigung.
Die je nach Angabe zwischen sieben und zwölf Millionen Roma bilden die größte transnationale Minderheit in Europa mit einem deutlichen Schwerpunkt in Südosteuropa, vor allem in Rumänien und Bulgarien.
Motivation für die Migration: Es ist die – auch nach örtlichen Vergleichsmaßstäben – extreme Armut und die Diskriminierung in den Herkunftsländern.
Bei Roma verschärft sich ihre Situation durch die entsprechenden sozialen Folgeerscheinungen wie (chronische) Krankheiten, Behinderungen, Analphabetismus, Anfälligkeit für Praktiken des Menschenhandels. Die auch vorhandenen positiven Ausnahmen prägen nicht das Gesamtbild.
Eine, wenn auch nicht die einzige Ursache für diese Probleme ist ein seit langer Zeit tief verwurzeltes Misstrauen und die starke Abgrenzung zwischen den Angehörigen der Mehrheitsbevölkerungen und den jeweiligen Roma-Minderheiten.
Hinzu kommen Ausgrenzungen und Diskriminierung im Schulsystem, die ein Aufbrechen des Teufelskreises aus Bildungsarmut, Diskriminierung und materieller Armut nahezu unmöglich machen.
Über kulturelle Differenzen, die die Fremdheit zwischen Roma und Mehrheitsbevölkerung verstärken und so zur Ausgrenzung beitragen, wird viel und oft unsachlich diskutiert. Eine Dimension dieser Verschiedenheit, die möglicherweise zum besseren Verständnis der Situation beitragen kann, ist das Verständnis von „Heimat“ bei vielen Roma.
Auch wenn das „Fahren“ nicht (mehr) den Lebensstil prägt, so definieren sie „Heimat“ weniger als andere territorial oder national, sondern haben ihren emotionalen Bezugspunkt eher in ihrem (Groß-)Familienverband.
Sie sind daher mental und auch praktisch sehr beweglich; mehr als für andere Gruppen ist eine Wanderung auch über nationale Grenzen hinweg eine naheliegende Option zur Verbesserung ihrer Lebensumstände.
14. August 2016, Basilika Mariazell